Warum möchte man das eine Parfum impulsartig kaufen, während man das andere schon nach zwei Sekunden wieder vergisst? Mit anderen Worten: Was macht einen Duft eigentlich begehrenswert?
In einer Zeit, in der sich Marken rasant vermehren, Kollaborationen zur Regel werden und selbst Indie-Häuser Flanker und Limited Editions in Serie produzieren, ist Wiedererkennungswert für eine Brand überlebenswichtig. Wie also gelingt es manchen Marken, sich scheinbar mühelos in unser Gedächtnis zu brennen, während andere ebenso schnell wieder verschwinden, wie sie aufgetaucht sind?
Das Zauberwort lautet „Marken-DNA“. Gemeint ist damit die unverwechselbare Essenz einer Marke, die sich konsequent durch alle Produkte und die gesamte Kommunikation zieht – und sowohl nach innen für die Mitarbeiter als auch nach außen für den Endverbraucher klar spürbar ist. Was wir auf und in den Verpackungen sehen, ist nur ein Puzzlestück. Entscheidender ist das nachhaltig positive Gefühl, das wir mit den Produkten einer Marke verbinden. Das klingt simpel, setzt sich aber aus einer Vielzahl von Faktoren zusammen: von der Wahl der Parfümeur:innen, der Struktur der Düfte, den verwendeten Materialien, dem Design bis hin zu Werbung und Distribution.
Vor allem in der Haute- und Nischenparfümerie ist die Wahl der Parfümeur:innen längst eines der wichtigsten Qualitätskriterien - und für Kenner wie Kunden oft ein entscheidendes Kaufargument. Doch nicht alles, was eine Signatur trägt, ist auch Gold. Manche der gefeierten Nasen unserer Zeit sind – bei aller technischen Brillanz - längst zu global agierenden Duftnomaden geworden: Dieselben Noten, dieselbe Struktur, verkauft an sieben verschiedene Marken pro Jahr. Für mich ist das keine Handschrift, sondern olfaktorisches Copy & Paste.
Und doch: Wenn eine Marke es schafft, Parfümeur:innen nicht nur als Dienstleister, sondern als konzeptuelle Partner zu begreifen, kann daraus eine starke DNA entstehen. Ein gutes Beispiel dafür sind Häuser wie Frédéric Malle oder Essential Parfums aus Frankreich. Beide setzen auf renommierte Nasen, jedoch mit unterschiedlicher Gewichtung: Während bei Malle die Parfümeur:innen bewusst als Künstler inszeniert werden, steht bei Essential Parfums weniger der Personenkult im Vordergrund, sondern das fertige Produkt. Die Marke verzichtet auf Pomp, setzt auf solide Qualität, nachvollziehbare Kompositionen, eine massenkompatible Preisgestaltung und eine nachhaltig originelle Verpackung.
Apropos Packaging: Muss ein Duft heutzutage wirklich in einer überdimensionierten Kunstleder-Klappschatulle präsentiert werden, die innen mit Polyestersatin ausgeschlagen ist? Bei mir frisst sowas nur unnötig Platz im Regal. Ein Flakon darf gerne schön und funktional sein – aber Luxus entsteht nicht durch Pomp, sondern durch Haltung. Sie ist das, was man spürt, und nicht das, was man sieht.
Storytelling gehört mittlerweile zum Parfum wie der Zerstäuber zum Flakon: Von der Erinnerung an einen Lieblingsort über die Ode an Omas Wäscheschrank bis hin zum Kuss auf sonnengewärmter Haut, wird uns so einiges geboten. Doch seien wir ehrlich: Muss ein Duft wirklich immer eine Geschichte erzählen? Die stärksten Erinnerungen entstehen doch letztlich sowieso auf meiner Haut. Ich finde, dass Qualität keine Kulisse braucht. Bestenfalls schreiben gute Parfums ihre Geschichte selbst – und nur so entstehen Legenden.
Am Ende ist es wie in jeder guten Beziehung: Man bleibt, wenn man weiß, woran man ist. Dabei will niemand Langeweile und Redundanz, sondern Konstanz. Marken, die alles gleichzeitig sein wollen, sich dauernd neu erfinden und Bestseller kopieren, wirken schnell beliebig. Und Beliebigkeit riecht man - leider - auch. Denn nicht der lauteste Auftritt bleibt im Gedächtnis, sondern die Qualität und Einzigartigkeit, die man spürt.