Beste Bohne

May 08, 2025

Bei einem meiner Bekannten steht seit Neuestem ein beeindruckendes Gerät im Wohnzimmer. Der „Gastro-Bolide“ sieht aus wie ein Cessna Cockpit aus den 50ern, trägt den verheißungsvollen Namen „Spirit“ und ist eine Kaffeemaschine. 13.000 Euro hat das gute Stück gekostet. Gebraucht wohlgemerkt; und war offenbar ein Schnäppchen. Jedes Teil ist handgefertigt, die Warteliste elendig lang, das ganze Ding 125 Kilogramm schwer und natürlich „state of the coffee art“. Auf jeden Fall hebt das chromblitzende Wunderwerk der Kaffeekunst schnödes Kaffeekochen stante pede auf Rolls Royce Niveau. Und nein, der stolze Neubesitzer ist nicht Betreiber eines angesagten Cafés, sondern einfach ein technikverliebter Connaisseur, Lifestyleexperte und Hobby-Barista.

Baristi, bzw. Bariste, nennt man die Spezialisten für die Zubereitung des perfekten Kaffees. Sie sind die Koffeinkünstler am Siebträger, die in einer Kaffeebar mit geschickten Händen und gewinnendem Lächeln mit den Kaffeesorten jonglieren und durch die perfekte Mischung von Bohnen, Mahlgrad, Wassertemperatur und Milchschaum selbst einen simplen Espresso oder Cappuccino zu einem Erlebnis machen können. Ursprünglich in Italien als Barkeeper generell für die Getränke in einer Bar zuständig, ist der Barista hierzulande in kurzer Zeit zum Hohepriester der Kaffeehauskultur mutiert. Während man den professionellen Barista meist in den angesagten Coffeeshops der Metropolen findet, zelebriert der technikaffine Hobby-Barista, ebenso wie seine hippen Kollegen an der gußeisernen, schwarzen Grillstation und an den Giga-Pizzasteinöfen, seine Kunst in der Regel im heimischen Garten oder auf youtube. Mit neuer Lust an der Hausarbeit hat das Ganze dabei eher wenig zu tun. Home Baristi, Pizzabäcker und „Grillmaster Flash“ sind vielmehr die neuen Helden der zumeist männlich dominierten „Schöner Wohnen-Freizeitkultur“. Es gibt nur wenige Bereiche in Heim und Garten, in denen Mann sich dank beeindruckendem Equipment so schnell mit Expertise und Allure positionieren kann. Das bemitleidenswertes Weichei am Wischmop ist da sicher keine Alternative. Da glänzt Mann doch viel lieber dank Espresso, Cappuccino, Flat White oder Latte Macchiato mit beeindruckend erlesener Kaffeekunst und hofft, dass die Herzen ebenso schnell dahinschmelzen wie das Vanilleeis im Caffè Affogato. Um das neue Hobby übrigens auf ein ultimativ professionelles Niveau zu katapultieren, gibt es natürlich jede Menge hochspezialisierte Shops, die neben den ultrateuren Geräten auch umfangreiches Zubehör und Accessoires verkaufen. Für die Kaffeekünstler z.B. Schablonen für beeindruckende Kunstwerke aus Milchschaum, „Latte Art“ genannt.

Während ich also noch meine Krups „Nespresso“ für die Krone der Kaffee-Kulinarik halte, rauschen die wahren Kaffeefreaks mit chromblitzend teurem Siebträger-Luxus rechts und links an mir vorbei. Auch wenn der Espresso aus der teuren Wundermaschine zugegebnermaßen beeindruckend gut war, möchte ich kein Cessna-Cockpit-großes Gerät im Wohnzimmer, vom erforderlichen Kleingeld mal ganz abgesehen. Stattdessen könnte man seine Kaffee-Lifestyle-Kompetenz auch etwas dezenter, jedoch nicht weniger trendig zeigen. Wie z.B. mit einem„Coffee to go“ Becher von KPM. Ja, auch die von Friedrich dem Großen 1763 gegründete „Königliche Porzellan-Manufaktur“ ist in der Neuzeit und am Puls der Zeit angekommen. 115 Euro kostet beispielsweise der „thermoplastische“ Kaffeebecher aus Elastomer im klassischen Kurland-Design. Oder man brüht sich per Handfilter einen puristisch soliden, guten, alten Filterkaffee - ganz langsam und sehr behutsam, denn retro geht ja immer und „slow living“ sowieso. Die Kaffeelust befriedigen und gleichzeitig Trendbewusstsein zeigen, kann man natürlich auch mit einem der ebenso zahlreichen wie wunderbaren Kaffeedüfte. Wie bei Starbucks auf der Getränkekarte findet jeder seinen Lieblingskaffee: Vom würzig süßen, dunkelschokoladigen Doppio bis hin zum gourmandig cremigen Latte macchiato all’Amaretto. 

Christiane Behmann

Christiane Behmann


Christiane Behmann ist Diplom Sozialwissenschaftlerin und Texterin. Nachdem sie lange Jahre als Pressereferentin für verschiedene Unternehmen tätig war, wagte sie 2000 mit einer eigenen Werbeagentur den Schritt in die Selbständigkeit. 2007 gründete sie das „Archiv für Duft & feine Essenzen“ und war damals eine der ersten Bloggerinnen Deutschlands. Seit 2009 war sie außerdem Inhaberin vom Duftcontor in Oldenburg und arbeitet jetzt wieder in ihrem alten Beruf.